Juli 2019: Woran die Stiftung Neue Verantwortung aktuell arbeitet

Jul 11, 2019

Woran wir gerade arbeiten

 

Unser Team „Digitale Grundrechte“ baut derzeit einen englischsprachigen Blog zu Nachrichtendienst-Politik in Europa auf. Mitarbeiter:innen von Kontrollgremien, Expert:innen aus NGOs und IT-Unternehmen, Vertreter:innen von Nachrichtendiensten, und Forscher:innen aus verschiedenen europäischen Ländern werden hier regelmäßig Analysen, Debattenbeiträge und Forschungsergebnisse veröffentlichen. about:intel, so der Name der Plattform, geht im Spätsommer online. Bis dahin kann man sich schon einmal hier eintragen, um den Start nicht zu verpassen.
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Wie gut sind die verschiedenen Teile der deutschen Bevölkerung darin, im Netz verlässliche Nachrichten finden, Quellen zu bewerten und politisch motivierte Inhalte erkennen? Ein neues Projekt wird dazu bei uns umfangreiche Daten erheben und konkrete Ideen entwickeln, wie Regierung, Bildungseinrichtungen oder öffentlich-rechtliche Medien Bürger:innen in der digitalen Öffentlichkeit stärken können. Für dieses Projekt suchen wir eine:n Projektleiter:in.
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Unser Team ist in letzter Zeit stark gewachsen und wir möchten unser Office Management neu gestalten. Für unsere Arbeit brauchen wir deshalb Unterstützung und suchen ab 1. Oktober 2019 eine:n Office Manager:in (in Vollzeit oder Teilzeit).
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Ab dem 1. November 2019 suchen wir eine:n Mitarbeiter:in Bereich Personalmanagement & Gremienarbeit (in Teilzeit). Als Elternzeitvertretung unserer HR- und Gremienmanagerin sind Sie für sämtliche Abläufe im Bereich des Personalmanagements der SNV verantwortlich. Ergänzt wird die Tätigkeit durch die Betreuung unserer hochkarätig besetzten Gremien.


 

 

Was wir gerade mit Interesse lesen

Die chinesische Polizei nutzt in der Region Xinjiang eine App, die Daten aus Überwachungskameras und technischen Messgeräten auswertet und "verdächtiges Verhalten" an örtliche Behörden meldet. Verdächtiges Verhalten kann bereits bedeuten, die eigene Wohnung durch den Hinterausgang zu verlassen. Insbesondere werden mit der App Minderheiten, zum Beispiel muslimische Uiguren, unter Generalverdacht gestellt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat die App untersucht. Maya Wang von HRW erklärt in diesem Interview das Ausmaß und die Funktionsweise der staatlichen Überwachung. Gelesen von Kilian Vieth.
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Die Außenpolitik-Expertin Heather Hurlburt hat sich in einem Blog-Beitrag die aktuelle Debatte um die Zukunft der Sicherheitspolitik der USA angeschaut, die derzeit vor allem zwischen Think Tanks, Forschungseinrichtungen und anderen Expert:innen geführt wird. Hurlburt beobachtet, , dass sich die USA in einer Umbruchphase befinden, in der die alte Rolle der "Weltpolizei" abgelehnt wird, gleichzeitig aber keine Strategie für eine neue Position im globalen Macht- und Sicherheitsgefüge existiert. Gelesen von Sven Herpig.
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In einer Stellungnahme räumt das britische Innenministeriums ein, dass der Inlandsnachrichtendienstes MI5 wesentliche datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht eingehalten hat. Berichten zufolge betrifft dies die Weitergabe von Kommunikationsdaten an ausländische Partnerdienste. Das ist insofern beachtlich, als dass Regierungen nur äußerst selten selbst darüber berichten, dass Gesetze wie der Datenschutz von ihnen nicht eingehalten wurden. Das zeigt einerseits, wie erheblich die Verstöße hier gewesen sein müssen und andererseits, wie wichtig die technische und rechtliche Ausstattung der Kontrolleur:innen ist, damit das Risiko einer weiteren Missachtung elementarer Schutzbestimmung minimiert werden kann. Gelesen von Thorsten Wetzling.
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Island bietet durch sein kühles Klima ideale Voraussetzungen für den Betrieb von riesigen, energieintensiven Serverfarmen, deren Bedarf zum Beispiel durch das Schürfen von Kryptowährungen wächst. Für das Jahr 2019 wird der Energieverbrauch der dortigen Anlagen auf 852 Gigawattstunden geschätzt. Den hohe Energieaufwand legitimieren die Betreiber und die Politik damit, dass isländischer Strom zu über 90 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Außerdem verkauft das Land aufgrund seiner geringen Treibhausgasemissionen immer häufiger Zertifikate in andere europäische Länder, die dadurch ihre eigene CO2-Bilanz beschönigen – Während der isländische Staat und die dortige Wirtschaft heute von den Serverfarmen und dem "grünen Ruf" des Landes profitieren, ist es aus umweltpolitischer Sicht eine mindestens fragwürdige Entwicklung. Die Technology Review des MIT analysiert das Thema in einem Artikel. Gelesen von Fabian Reetz.
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Wie bekannt wurde, sind die USA und Russland jeweils durch Cyberoperationen in das gegnerische Stromnetz eingedrungen. Dieser Fachartikel setzt sich mit den daraus erwachsenenden völkerrechtlichen Konsequenzen auseinander. Die USA setzt neuerdings auch im Cyberraum zur Abschreckung und Verteidigung auf offensive Maßnahmen und profitiert dabei davon, dass es dort bisher noch viele rechtliche Grauzonen gibt – ein Angriff auf kritische Infrastrukturen in Friedenszeiten wurde durch eine Norm, die auch die USA freiwillig unterzeichnet hat, verboten. Ungeklärt ist allerdings, ob das bloße Eindringen auch darunter fällt. Gelesen von Julia Schuetze.
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Wie gut Suchmaschinenergebnisse sind, hängt von dem verwendeten Algorithmus der Suchmaschine ab. Entscheidend ist aber auch, wie viel Information zu einem Suchbegriff insgesamt im Netz vorhanden ist. Bei Suchbegriffen, die nur auf einer Handvoll Internetseiten verwendet wird, herrscht gewissermaßen "Datenleere", mit der sich die Autor:innen dieses Artikels auseinandergesetzt haben. Sie beschreiben, wie diese Datenleere ausgenutzt werden kann, um Desinformation und Hetze zu verbreiten. So gelang es beispielsweise durch Manipulationen in Suchergebnissen, den Amoklauf in Sutherland Springs fälschlicherweise linksradikalen und autonomen Gruppen zuzuschreiben. Gelesen von Julian Jaursch.
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Der frühere Europaparlamentarier Gerhard Schmid zeichnet die Entwicklung von geheimdienstlicher Überwachung und ihrer Kontrolle der letzten 70 Jahre nach. Die technische Entwicklung vom Langwellenfunk über TAT1-Kabel und Satellitensysteme zur heutigen Glasfaser änderte laut Schmid nichts an der grundlegenden Haltung der westlichen Nachrichtendienste in ihrem Umgang mit der Kommunikationsüberwachung: Was immer technisch möglich, finanziell machbar, und gesetzlich erlaubt ist, wird gemacht – und manchmal auch mehr. Schmid fordert in seinem Artikel auch, dass die Privatsphäre von Betroffenen durch ein internationales Abkommen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit geschützt werden muss. Gelesen von Jan-David Franke.
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Der Digital News Report der Oxford University ist eine jährlich veröffentlichte Studie zur digitalen Mediennutzung in 38 Ländern. Der Bericht für 2019 zeigt, dass Snapchat und Facebook an Bedeutung als Informationsmedium verlieren, während WhatsApp und Instagram die großen Gewinner sind. Dennoch bleibt Facebook das wichtigste Social Network. In Deutschland wiederum fällt der Fall Relotius direkt in den Erhebungszeitraum und ist damit vermutlich mitverantwortlich für das verlorene Medienvertrauen hierzulande. Gerade im UK und in den USA bleibt derweil die Angst vor "Mis- and Disinformation” hoch. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Frage, wer für digitale News-Angebote eigentlich zahlt. Gelesen von Alexander Sängerlaub.
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Im Jahr 2017 erhielt das zum Alphabet-Konzern gehörende Unternehmen Sidewalk Labs den Zuschlag, auf einem ungenutzten Areal im Norden von Toronto ein hochtechnisiertes Stadtviertel, eine so genannte Smart City, zu errichten. Seit Beginn der Zusammenarbeit der Stadt mit dem mächtigen Digitalkonzern steht das Projekt in der Kritik. Undurchsichtige Vergabeverfahren und Unklarheiten bezüglich des Umgangs mit den Daten, die durch den Einsatz von Sensoren und Kameras anfallen, haben Forderungen nach mehr Transparenz laut werden lassen. Insbesondere der Aspekt der Transparenz innerhalb eines öffentlichen Raums wie den Sidewalk Labs wird in diesem Blogpost von Shannon Mattern, Professorin an The New School New York, kritisch beleuchtet. Gelesen von Leonie Beining
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Zwei renommierte Think Tanks haben gemeinsam ein Papier herausgegeben, in dem sie Europas wirtschaftliche Sicherheit und Handlungsfähigkeit in Gefahr sehen. Der derzeitige Handelskrieg der USA und Chinas verdeutlicht, dass die beiden Staaten ihre Interessen auch mit wirtschaftlichen Instrumenten durchsetzen. Dazu gehören Exportkontrollen, Beschränkungen ausländischer Direktinvestitionen und Zölle. Dieses Verhalten strapaziert nicht nur die außenpolitischen Beziehungen Europas zu beiden Ländern, sondern hat direkte, negative Auswirkungen für die europäische Industrie. Die Autor:innen plädieren zur Lösung nicht für Protektionismus, aber dafür, dass in den europäischen Staaten und auf gesamteuropäischer Ebene ebenfalls eine langfristige, strategische Industriepolitik verfolgt wird. Gelesen von Jan-Peter Kleinhans.


 

Deep Dive: Leseliste zum Fachkräftemangel im KI-Bereich 

Wirtschaftlich und gesellschaftlich ist die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) kaum zu überschätzen. Es ist aber auch ein technisch komplexes Feld. KI-Expert:innen benötigen Kentnisse im Programmieren, in Data Science, in klassischer Mathematik, in fortgeschrittener Statistik, Computerwissenschaft und ML-Technik. Fachkräfte, die diese Fähigkeiten mitbringen, sind sehr gefragt und stellen hohe Anforderungen an ihre potentiellen Arbeitgeber. Das macht es schwer für Länder und Regionen, die keine attraktiven Arbeitsbedingungen bieten, diese Fachkräfte anzuwerben. Auch wechseln sie immer häufiger von der akademischen Forschung in die Privatwirtschaft, wo es genügend Mittel für Rechenkapazität, hohe Gehälter und Ressourcen für mehrere KI-Expert:innen in einem Team gibt. Dieser “Brain Drain”, lässt die KI-Entwicklung und -Forschung in Europa weiter hinter den USA und China zurückfallen. Kate Saslow hat zu den Hintergründen des “Brain Drains” eine Leseliste erstellt: 

 

Überblick: Aktuelle Veröffentlichungen und Medienbeiträge

Demystifying AI & AI Companies. What foreign policy makers need to know about the global AI industry (Policy Papier): Für europäische Regierungen und Außenpolitiker:innen wird es immer wichtiger zu beobachten, welche Fortschritte andere Staaten bei der Förderung Künstlicher Intelligenz machen oder wie globale KI-Unternehmen agieren und so zu neuen Konkurrenten für heimische Industrien werden. Für ein systematisches Monitoring braucht es allerdings zunächst ein Grundverständnis dieses neuen Technologie- und Wirtschaftsbereichs. In ihrem Papier geben Philippe Lorenz und Kate Saslow einen Überblick darüber, welche Bestandteile für die Entwicklung und wirtschaftliche Nutzung von KI-Technologien erforderlich sind und wie sich sogenannte KI-Unternehmen erkennen und in verschiedene Entwicklungsstadien einteilen lassen.
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Digitale Zivilgesellschaft fördern. Wie Politik und Verwaltung die Digitalisierung des Dritten Sektors unterstützen können (Diskussionspapier): Gemeinnützige Stimmen sind im gesellschaftlichen und politischen Diskurs rund um die Veränderungen durch neue Technologien unterrepräsentiert. Anna Wohlfarth beschreibt in ihrem Papier, welche Möglichkeiten zur Förderung der Zivilgesellschaft in der Digitalpolitik bestehen und welche Potentiale daraus erwachsen.
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Der maschinelle Weg zum passenden Personal – zur Rolle algorithmischer Systeme in der Personalauswahl (Impulspapier): Algorithmische Systeme werden Rekrutierungsprozesse, den gesamten Personalsektor und das Berufsbild der Personaler:innen stark verändern. In ihrem Impulspapier analysieren Tobias Knobloch und Carla Hustedt die Chancen und Risiken dieser Technologien im Recruiting und zeigen auf, welche Maßnahmen für Akzeptanz und Nachvollziehbarkeit sorgen können. Bei Rückfragen zu diesem Papier wenden Sie sich bitte direkt an Carla Hustedt.
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Kontrolle ist besser (Artikel in "Internationale Politik"): In einem Gastbeitrag argumentiert Jan-Peter Kleinhans, dass die "5G-Debatte" derzeit fast ausschließlich auf die Vertrauenswürdigkeit chinesischer Netzwerkanbieter fokussiert. Dabei sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass wir vor einer deutlich komplexeren Herausforderung stehen – der Frage, wie Europa die Sicherheit der digitalen Infrastrukturen langfristig gewährleisten kann.
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Offener Brief an das Innenministerium zum geplanten Eingriff in Verschlüsselung von Messenger-Diensten: Zusammen mit weiteren Mitorganisator:innen haben Sven Herpig, Jan-Peter Kleinhans und Julia Schuetze das BMI in einem offenen Brief vor den möglichen Konsequenzen der geplanten Gesetzesänderung zum Eingriff in die Verschlüsselung von Messenger-Diensten gewarnt. Dafür haben sie breite Unterstützung von Industrie, Verbänden und Organisationen, aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Datenschützer:innen und Abgeordneten bekommen.

 

Woran wir uns nicht mehr erinnern

8. Juni 1955 – Im vergangenen Monat feierte Tim Berners-Lee seinen 64. Geburtstag. Der Brite hat nicht nur das World Wide Web entwickelt, sondern ist auch als Erfinder der Website-Sprache HTML in die Geschichtsbücher eingegangen. Doch Informatik spielt noch eine viel wichtigere Rolle in Tims Leben – ohne sie gäbe es ihn gar nicht: Seine Eltern lernten sich nämlich kennen, als sie in den 1950er Jahren Programme für den Universal-Computer Ferranti Mark I schrieben ❤.️ Erinnert sich Johanna Famulok