Von der Pflicht zur Kür

SNV in the Media

Bei der Bereitstellung öffentlicher Dienste kann der Staat zeigen, wie digitale Innovation funktioniert und wie verantwortungsvoll mit den Daten der Bürger umgegangen werden kann.

Das ungehemmte Sammeln von Daten über soziale Interaktionen, Fortbewegungsmuster und andere private Bereiche wird von vielen als Bedrohung wahrgenommen. Bundeskanzlerin Merkel forderte deshalb beim Digitalgipfel, „die Humanität unserer Gesellschaft muss auch in der digitalen Welt selbstverständlich bleiben“. Um das zu erreichen, so der Tenor in Berlin und Brüssel, brauchen wir Datensouveränität, also die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger einerseits und den Staat andererseits, über ihre Daten frei von Zwängen und Abhängigkeiten zu entscheiden. Die Datensouveränität solle auf einer dezentralen Dateninfrastruktur aufbauen, die Deutschland mitgestaltet. Doch wie kann der Staat eine solche Idee umsetzen?

Ein praktisches Beispiel ist die Digitalisierung von über 500 Verwaltungsdienstleistungen. Diese sollen laut Gesetz bis 2022 allesamt online nutzbar sein, um so die mit persönlicher Vorsprache vergeudete Zeit und Nerven zu sparen. Bisher geht es langsam voran: Mit der ersten Onlinedienstleistung kann man seit Dezember 2019 in sechs Pilotkommunen in Schleswig-Holstein Wohngeld beantragen.

Die Herausforderungen bei der Umsetzung scheinen banal und sind doch ernstzunehmende Stolpersteine: Sichere Schnittstellen zwischen Onlineportalen und den bearbeitenden Ämtern sind nötig – für Unternehmen ein altbekanntes Problem, für Behörden Neuland. Außerdem sollen die Dienste für Bürger sowie für Behördenmitarbeitende verständlich sein. Auch hier gibt es für den Staat viel zu lernen. Das passiert derzeit in „Digitalisierungslaboren“, in denen interdisziplinäre Teams Prototypen entwickeln und testen, anpassen und verbessern. Das ermöglicht, Fehler zu machen und schnell aus ihnen zu lernen.

Bei der Bereitstellung öffentlicher Dienste kann der Staat zeigen, wie digitale Innovation funktioniert und wie verantwortungsvoll und souverän mit den Daten der Bürger umgegangen werden kann. Das ist die Pflicht, die dem Staat niemand abnehmen kann. Danach kann er sich an der Kür versuchen und die Wirtschaft darin unterstützen, Daten gesellschaftsfreundlich zu nutzen.

Doch dazu braucht es die Bereitschaft, im geschützten Umfeld zu experimentieren, damit die Datensouveränität getestet und nutzbar wird. Das ist wichtig, denn Merkel hat recht damit, dass es um die Humanität in der digitalen Welt geht.

Published by: 
Frankfurter Rundschau
January 06, 2020
Authors: 

Aline Blankertz

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