Feuerwehr ohne Wasser? Möglichkeiten und Grenzen des Fact-Checkings als Mittel gegen Desinformation

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Digitale Informations- und Kommunikationsräume wie Social Media werden auch genutzt, um falsche oder irreführende Informationen (bewusst) zu verbreiten. Um digitale Desinformation zu bekämpfen, wird häufig das Fact-Checking – also die Richtigstellung von Desinformation mit journalistischen Mitteln – als ein geeignetes Mittel diskutiert. Auch die Europäische Kommission lobte das Fact-Checking als Mittel gegen Desinformation. Sowohl öffentlich-rechtliche, als auch private Medienhäuser in Deutschland haben Fact-Checker in ihren Redaktionen, die Fake News aufspüren und aufklären. Mittlerweile zeigt sich jedoch, dass Fact-Checking die hohen Erwartungen nicht erfüllt: Als Mittel zur Bekämpfung oder Beseitigung von Desinformation kann es nicht dienen. Es behandelt nur die Symptome von Desinformation, nicht jedoch die Gründe, wegen derer Desinformation überhaupt gestreut wird. Fake News den gesellschaftlichen Nährboden zu entziehen, sollte daher die höhere Priorität haben.

Dass Fact-Checking auch zur Symptombehandlung von Desinformationskampagnen nicht ausreicht, liegt auch an mehreren systemimmanenten Nachteilen, die die Richtigstellungen gegenüber den Fake News haben: Das Fact-Checking erreicht in der Regel deutlich weniger Menschen als die entsprechende Fake News. Diese geringere Reichweite entsteht unter anderem dadurch, dass die Fake News sich in der Zeit zwischen ihrer Veröffentlichung und der Antwort der Fact-Checker bereits schnell weiter verbreitet haben. Außerdem sind Fake News oftmals emotionalisierend, sodass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit von Leser:innen geteilt werden. Weiterhin sind insbesondere politische Fake News häufig wirkungsmächtiger als ihre Richtigstellungen, weil Menschen Nachrichten misstrauen, die ihr Weltbild infrage stellen. Erste Studien zeigen, dass Fact-Checking bei denjenigen Rezipient:innen, die sich durch ihre hohe Skepsis gegenüber Medien und Politik in stark segregierte Echokammern zurückziehen, keine oder sogar eine gegenteilige Wirkung entfaltet. Umgekehrt werden Informationen, die in die eigene Weltsicht passen, kaum hinterfragt – vor allem in Rezeptionssituationen wie sie in den sozialen Netzwerken der Fall sind.

Obwohl Fact-Checking aus den genannten Gründen als Mittel gegen Desinformation nicht funktioniert oder zumindest bei weitem nicht zur Problemlösung ausreicht, erfüllt es dennoch andere, wichtige Funktionen: Einerseits informiert es Journalist:innen, Bürger:innen und Politiker:innen über laufende Desinformationskampagnen. Man kann es demnach eher als einen Rauchmelder gegen Fake News-Brände verstehen – eine Art Warnsystem dafür, wie viele Desinformationen in der digitalen Öffentlichkeit kursieren, welche Themenbereiche besonders anfällig dafür sind, für Desinformation missbraucht zu werden oder welche Akteure hinter solchen Kampagnen stecken.

Andererseits leistet Fact-Checking einen Beitrag zur Medienkompetenzbildung in der Öffentlichkeit: Es zeigt anschaulich wie versucht wird, die Schwächen der digitalen Öffentlichkeit auszunutzen, um zu täuschen oder zu manipulieren. Gleichzeitig erklären Fact-Checker mit welchen Methoden und Strategien sich Nachrichten im digitalen Raum überprüfen lassen. Diese Überprüfung durch die Konsument:innen von Nachrichtenangeboten selbst ist nötig geworden, da im digitalen Raum potentiell jede:r (Des-)Informationen verbreiten kann. Journalist:innen können ihrer ursprünglichen Funktion als “Gatekeeper”, also als Filter für Relevanz und Güte von Informationen in der digitalen Welt, deshalb nicht mehr ausreichend nachkommen. Dafür benötigen die Leser:innen Kompetenzen, die sie unter anderem durch Fact-Checking Techniken erlernen können, doch auch das ist bei Weitem nicht genug.

Um die genannten Funktionen, die Fact-Checking innerhalb der digitalen Öffentlichkeit ausfüllen kann, weiter zu stärken, sollte man die zugrundeliegenden Prozesse effizienter und vernetzter gestalten: Expertise und “Manpower” sollte gebündelt, der Austausch zwischen Fact-Checking-Redaktionen gefördert werden. Technische Tools können genutzt werden, um Desinformation zuverlässig zu identifizieren. Transparenz über die Arbeit und insbesondere auch über potentielle Fehler der Fact-Checker:innen kann helfen, das Vertrauen in ihre Ergebnisse zu erhöhen. Aber ohne eine Kompetenzerweiterung der Bürger:innen und derjenigen, die täglich in der digitalen Öffentlichkeit kommunizieren – hier seien auch Ministerien und Behörden genannt – wird die Brandbekämpfung gegen Desinformation nicht gelingen.