Wenn Gebäude einen Energiesprung machen

SNV in den Medien

Dieser Artikel erschien im Tagesspiegel Nr. 22591 vom 24.11.2015, S. 17.

Eigentlich hatte Margit Theml alles richtig gemacht. Vor der energetischen Sanierung ihres Zweifamilienhauses ließ sie sich umfassend beraten, am Ende aber waren Kosten von 136 000 Euro entstanden. Viel zu viel, um sie durch eingesparte Heizkosten wieder hereinzuholen.

Wie Margit Theml geht es vielen Hausbesitzern und Mietern landauf, landab. Eine warmmietenneutrale Sanierung - die Heizkostenersparnis wiegt die Investitionen auf - gelingt nur äußerst selten. Dennoch müssen Gebäude künftig sehr viel weniger Energie verbrauchen. Sonst sind die deutschen Klimaziele nicht zu erreichen. Bis 2050 soll das Land einen mehr oder weniger klimaneutralen Gebäudebestand haben.

Was man tun könnte, um die Sanierungsrate auf die notwendigen zwei Prozent jährlich zu heben (zurzeit ist es rund ein Prozent), hat die Stiftung Neue Verantwortung untersuchen lassen. In der Studie "Wie Deutschland die Wärmewende schaffen kann" steht Margit Themls Fall als abschreckendes Beispiel ganz am Anfang. Fazit der Autoren: Aktuell haben es die sanierungswilligen Hausbesitzer mit einem schlecht zugänglichen, überteuerten und zersplitterten Markt an individuellen Handwerkerleistungen zu tun.

Am Ende der der Sanierung steht dann oft eine Enttäuschung: Die Ersparnis ist in vielen Fällen nicht so hoch wie vorher berechnet. Wie groß die Unterschiede sind, dokumentierte das gemeinnützige Beratungsportal CO2online am Beispiel von 180 Häusern bundesweit. So ein Monitoring wird bisher noch viel zu selten gemacht, meinen Jens Hakenes und Peter Hennig von CO2online. Das Ergebnis steht in der Studie "Wirksam sanieren - Chancen für den Klimaschutz". In dem Feldtest betrug das Verhältnis zwischen Investitionen und Einsparungen 3:1 bis 5:1, berichtet Peter Hennig.

Für Mieter entstehen die hohen Kosten auch deshalb, weil aktuell elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden dürfen. Vor der Jahrtausendwende galt dagegen noch ein Grundsatz der Zumutbarkeit. Die Rechtsprechung lehnte in vielen Fällen Mieterhöhungen ab, die mehr als 200 Prozent der berechneten Heizkostenersparnis betrugen.

Mieterhöhungen lassen sich jedoch nur in Regionen realisieren, wo es genug zahlungswillige Mieter gibt. Das ist in Zeiten von Landflucht oft ein Problem. So fehlt es auch den Vermietern an Anreizen, zu modernisieren. Eine steuerliche Förderung der Gebäudesanierung war wiederholt gescheitert, 2014 am Widerstand Bayerns. Daran erinnerte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft vergangene Woche, als das Wirtschaftsministerium seine Energieeffizienzstrategie Gebäude vorstellte. Statt der Steuersparmöglichkeit legte die Bundesregierung ein "Anreizprogramm Energieeffizienz" auf, das jedoch ein wesentlich kleineres Volumen hat.

Die Stiftung Neue Verantwortung (SNV) empfiehlt stattdessen, so vorzugehen wie das niederländische Konsortium Energiesprong. "Sie haben zuerst 100 000 Hausbesitzer gefunden, die sanieren wollten. Dann sind sie zu den Bauträgern gegangen mit der Frage: Dieser Auftrag hat ein Volumen von fünf Milliarden Euro, interessiert euch das?", berichtet Emanuel Heisenberg von der SNV.

Energiesprong hat inzwischen 110 000 Häuser zu Nullenergiehäusern umgebaut. Sie verbrauchen übers Jahr gerechnet nicht mehr Energie, als sie mit regenerativen Anlagen produzieren. Auf den Umbau, der nur zehn Tage dauert, gibt Energiesprong 30 Jahre Garantie.

Vorfinanziert wird die Sanierung aus einem Sozialfonds der BNG-Bank. Die Hausbesitzer verlangen von den Mietern dann so lange die gleiche Warmmiete wie vorher, bis die Kosten abgetragen sind.

So eine industrielle Bündelung von Stückzahlen fordert Heisenberg auch für Deutschland. "Das ist die Zukunft. Wenn nicht, ist es völlig unmöglich, die Sanierungsrate zu verdoppeln oder zu verdreifachen." Mit einer industriellen Standardisierung dagegen seien die dringend nötigen Ersparnisse bei der energetischen Sanierung von 20 und 30 Prozent möglich.

Auch die Bundesregierung denkt in eine ähnliche Richtung. Der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz sieht eine Ausschreibung von Stromsparpotenzialen vor. "Projektbündler" sollen Kühl- und Gefriergeräte von Unternehmen energieeffizienter machen. Auch der Austausch von Heizungsumwälzpumpen in Privathaushalten und Industrie soll mit diesem Modell gefördert werden - inklusive einem hydraulischen Abgleich, der die Heizung optimal einstellt.

Etwas Vergleichbares wie in den Niederlanden wagt die Energieeffizienzstrategie Gebäude aber nicht. Sie würde nur die "wenig taugliche Rahmenbedingungen zementieren", kritisiert Hermann Falk vom Bundesverband Erneuerbare Energie und forderte eine mutigere Strategie.

Erschienen bei: 
Der Tagesspiegel
24. November 2015
Autor:in: 

Susanne Ehlerding