Stellungnahme im Rahmen der Verbändebeteiligung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des BND-Gesetzes

Beitrag

Die gesamte Stellungnahme als PDF-Download

Einleitung

Wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Stellungnahme. Mit dem Referentenentwurf werden zentrale Baustellen und Defizite der deutschen Nachrichtendienstkontrolle in Folge des Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts adressiert. Gerade bei einem sicherheitspolitisch und grundrechtlich so hochsensiblen Bereich wie der technischen Aufklärung gehört das Handlungsspektrum der Exekutive einer unabhängigen und wirkmächtigen Prüfung unterzogen. Die rechtsstaatliche Einhegung von Überwachungsbefugnissen und deren unabhängige Rechtskontrolle sind zentral für die demokratische Legitimation, die für die millionenfachen Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 10 GG und Art. 5 GG vonnöten ist. Von daher ist es für uns wichtig, uns im Rahmen der kurzen Frist eingehend mit den vorgeschlagenen Veränderungen im Nachrichtendienstrecht zu befassen. Der Bundestag hat durch die vielen klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Karlsruhe eine einmalige Chance erhalten, bei dieser Novellierung international bedeutsame rechtsstaatliche Standards zu setzen. Bundesregierung und Bundestag haben, auch mit Blick auf die düstere Rolle deutscher Geheimdienste in der gesamtdeutschen Geschichte, eine besondere Verantwortung in Fragen der demokratischen Nachrichtendienstführung mit gutem Beispiel voran zu gehen.

Um es vorwegzunehmen: Der Referentenentwurf stellt im Vergleich zum aktuellen, verfassungswidrigen Status quo eine deutliche Verbesserung dar. Zukünftig würde es entscheidend verbesserte und ressourcenmäßig gestärkte Möglichkeiten geben, die Rechtmäßigkeit der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung (§ 19 Abs. 1)[1] sowie die vielen Etappen der Datenverarbeitung und Übermittlungen unabhängig zu prüfen. Wir freuen uns, im Rahmen unserer fortlaufenden Arbeit an einem Kompendium zu guten Rechtsnormen und innovativer Kontrollpraxis im internationalen Vergleich,[2] neue vorbildliche Beispiele aus Deutschland aufnehmen zu können.

Dennoch greift der Entwurf an vielen Stellen zu kurz, beziehungsweise wird mit der unzureichenden Begrenzung einiger Überwachungsbefugnisse (zum Beispiel im Rahmen der Eignungsprüfung; siehe Abschnitt B) das Ziel einer rechtsstaatlichen Einhegung von Grundrechtseingriffen verfehlt.

Anders als in anderen Demokratien, ist ein einheitlicher und rechtsklarer Rahmen für das gesamte deutsche Nachrichtendienstrecht weiterhin nicht in Sicht. Es bleibt vielmehr auf zu vielen verschiedenen Gesetzestexten mit zahlreichen Querverweisen verteilt, was die Rechtsklarheit erheblich erschwert.[3] Dies zeigt sich jetzt auch daran, dass sowohl bei der Novellierung des BND-Gesetzes als auch bei der Novellierung des BVerfSch-Gesetzes zentrale Veränderungen am Artikel 10-Gesetz vorgenommen werden, die sich leichter erschließen ließen, wenn es einen einheitlichen Rechtsrahmen für das Nachrichtendienstrecht gäbe. Leider wird diese Chance nicht genutzt. Die Inland-Ausland Fernmeldeaufklärung nach § 5 Artikel 10-Gesetz bleibt weiterhin getrennt von der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung normiert und kontrolliert. Dabei handelt es sich um eine ähnliche Praxis, mit ähnlichen Antrags- und Genehmigungsprozessen. Auch werden die gleichen Anbieter von den gleichen Stellen zur Ausleitung verpflichtet. Mit dem neuen unabhängigen Kontrollrat und der G10-Kommission bleiben aber zwei institutionell und befugnistechnisch gänzlich unterschiedlich aufgestellte Kontrollorgane mit ähnlich gelagerten Aufgaben betraut. Besser wäre es da gewesen, das ohnehin zu komplexe Nachrichtendienstrecht zu entrümpeln und der der Wirksamkeit der Kontrolle entgegenstehenden Fragmentierung der Aufsichtsgremien mit einer Reduktion der Gremien zu begegnen. Dafür hätte man einen einheitlichen Rechtsrahmen im BND-Gesetz für sämtliche Befugnisse der strategischen Fernmeldeaufklärung schaffen können und dabei die Rechtskontrolle allein dem unabhängigen Kontrollrat (ebenfalls im BND-Gesetz und nicht im Art. 10-Gesetz) übertragen können. Ähnlich wird dies auch in anderen Demokratien gehandhabt, wie z.B. den Niederlanden, Kanada und Großbritannien.

Den Leitlinien des Karlsruher Urteils folgend wäre es zum Beispiel möglich gewesen, die Nachrichtendienstkontrolle auf drei starke Institutionen zu beschränken (siehe Schaubild unten).[4] Dabei hätte man, auch um Doppelzuständigkeiten bei der Kontrolle weiter zu vermeiden, die gesamte administrative Rechtskontrolle und die Kontrolle der Einhaltung datenschutzrechtlicher Standards zukünftig dem oder der Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) übertragen können.

 


[1] Hinweis: Wenn wir in diesem Dokument Paragraphen ohne weitere Nennung des Gesetzes zitieren, meinen wir damit die Paragraphen des Referentenentwurf vom 25.10.2020. 

[2] Siehe Thorsten Wetzling und Kilian Vieth, "Upping the Ante on Bulk Surveillance: An International Compendium of Good Legal Safeguards and Oversight Innovations", 2018, https://www.ohchr.org/Documents/Issues/Privacy/SR_Privacy/2019_HRC_Annex...

[3] Hierzu zählt das BNDG, das BVerfSchG, das MADG, das Artikel 10-Gesetz, das Kontrollgremiumgesetz (PKGrG). Das Inhaltsverzeichnis der von der Bundestagsverwaltung herausgegebenen Gesetzessammlung Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit und die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes führt 31 verschiedene Gesetzestexte auf.

[4] Siehe Thorsten Wetzling und Daniel Moßbrucker, "BND-Reform, die Zweite: Vorschläge zur Neustrukturierung der Nachrichtendienst-Kontrolle", 2020, https://www.stiftung-nv.de/sites/default/files/bnd_reform_die_zweite_vor...