Prinzipien für die Energiepolitik der Zukunft

Policy Brief

Die Klimakrise verlangt nach einer schnellen und weitreichenden Reduktion unserer Treibhausgasemissionen. Unsere Stromversorgung ist dabei ein Schlüsselsektor, in dem ein Großteil unserer Emissionen entsteht und der durch die Elektrifizierung weiterer Sektoren wie Verkehr und Wärmeversorgung weiter an Bedeutung gewinnt.

Deutschland hat sich im Rahmen des Pariser Klimaabkommens dazu verpflichtet, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Von diesem Ziel sind wir momentan jedoch weit entfernt. Der Ausbau der Erneuerbaren (insbesondere der Onshore Windenergie) ist in den letzten Jahren massiv eingebrochen, was unter anderem dem Energiemarkt-Design und den falschen energiepolitischen Prioritäten zugeschrieben wird.

Trotz der generellen Erkenntnis, dass es mehr Erneuerbarer bedarf und dem Bekenntnis zu Wandel und Fortschritt, stehen einem Paradigmenwechsel noch zahlreiche Annahmen und Denkmuster entgegen. Sie werden als unveränderlich wahrgenommen, sind aber durchaus veränderbar.

Diese Denkmuster drücken sich in etablierten Strukturen, Argumenten und Prozessen aus. Sie finden sich in der Lehre, in Gesetzen und Standards wieder. Dadurch perpetuieren sie sich und werden immer stärker innerhalb des Energiesystems verankert.

Während diese Denkmuster durch ihr hohes Beharrungsvermögen weiterhin die Realität innerhalb des deutschen Energiesektors beeinflussen, haben sich allerdings die Grundvoraussetzungen stark geändert: Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, die es bei der Entstehung des derzeitigen Energiemarkt-Designs noch nicht gegeben hat und durch die Klimakrise haben sich politische und gesellschaftliche Prioritäten verändert oder verschoben.

Zwei solcher überholten Denkmuster haben wir identifiziert:

Das bigger is better-Denkmuster
Große Märkte und Strukturen bringen viel Liquidität. Viel Liquidität bringt geringe volkswirtschaftliche Kosten. Geringe Kosten sorgen für hohe gesellschaftliche Akzeptanz.

Das Denkmuster der Engpassvermeidung
Die Versorgungssicherheit wird durch ein robustes Stromnetz garantiert. Jeder Bedarf und jede Erzeugung soll jederzeit über das Netz gekoppelt werden können. Netzengpässe sind nicht geduldet und müssen durch Netzausbau präventiv behoben werden.

Diesen Denkmustern sollten zeitgemäße Ideen und Prinzipien gegenübergestellt werden, die es uns ermöglichen, die Klimaziele zu erreichen. Zwei solcher Zukunftsprinzipien haben wir im Rahmen unseres Projektes skizziert:

Von bigger is better zum subsidiären Energiesystem
Das Design des Erneuerbaren Energiesystems folgt dem Subsidiaritäts-
prinzip – mit übergeordneten Zielen und lokaler Selbstorganisation. Hohe Granularität und unzählige Akteure bringen Liquidität. Gesellschaftliche Akzeptanz wird durch Teilhabe und Mitsprache generiert.

Von Engpassvermeidung zum wettbewerblichen Engpassmanagement
Der Ausbau verbrauchsnaher Erneuerbarer Stromerzeugung hat Priorität. Die Infrastruktur passt sich durch wettbewerbliche Nutzung aller Flexibilitätsoptionen an. Knappheiten schaffen Anreize für effiziente Infrastrukturnutzung und Sektorenkopplung.

Innovationen und neuen Möglichkeiten in das bestehende energiepolitische System zu integrieren, wird nicht reichen. Wenn wir das 1,5-Grad Ziel einhalten wollen, brauchen wir eine weitreichende Transformation – einen Paradigmenwechsel. Dazu müssen wir alte Denkmuster ablösen und neuen, innovativen Ideen den Weg bereiten.

20. Februar 2020