Kinder schützen, Haushalte entlasten - Der Soziale Wirkungskredit

Medienbeitrag

Kinder und Jugendliche wirksam schützen und gleichzeitig den Haushalt entlasten: Dies ist das Ziel eines Experiments, das derzeit im englischen Landkreis Essex im Gange ist. Sein Name: Sozialer Wirkungskredit. Der Soziale Wirkungskredit (SWK) wird in Essex dazu benutzt, um die intensive sozialtherapeutische Betreuung von rund 380 Jugendlichen und ihrer Familien zu gewährleisten. Mit dem Intensivprogramm sollen innerfamiliäre Konflikte abgebaut, die Resilienz des familiären Zusammenlebens erhöht und so die - zumindest latent - drohende Fremdunterbringung vermieden werden. Billig ist dies nicht. So müsste das County Council knapp 7,5 Millionen Euro für die Maßnahmen aufbringen. Tatsächlich bezahlt es jedoch nicht einmal die Hälfte - Dank des SWK.Sozialpartnerschaft mit Wirkung.

Die Logik hinter dem Wirkungskredit ist denkbar einfach: Soziale Dienstleistungen werden privat vorfinanziert und im Erfolgsfall öffentlich rückvergütet. In Essex haben private Geldgeber so knapp vier Millionen Euro "vorgeschossen". Grundlage eines jeden SWKs bildet ein Vertrag zwischen der öffentlichen Hand - in diesem Fall des County Council - und einem Intermediär. Hierin wird ein soziales Problem beschrieben, ein klar definiertes Wirkungsziel vereinbart und ein Vergütungsmechanismus bei Zielerreichung festgelegt. Basierend auf dem Vertragswerk schaffen die Akteure einen Wirkungskreis, der sich in vier Abschnitte unterteilt: Vorfinanzierung, Leis­tungserbringung, Evaluation und - im Erfolgsfall - öffentliche Rückvergütung.Zuerst investieren also private, zumeist philanthropische Geldgeber Kapital, um die erfolgversprechende Sozialdienstleis­tung über mehrere Jahre vorzufinanzieren, die von mehreren Sozialunternehmen erbracht wird. In Essex haben sich hierzu mehrere Stiftungen und die erste Sozialinvestmentbank Big Society Capital zusammengefunden und mehr als die Hälfte der Maßnahmekosten inves­tiert.Nach Ende der Maßnahme prüft dann ein unabhängiger Gutachter, ob das vorgegebene Wirkungsziel erreicht worden ist. Ist dies der Fall, erhalten die Inves­toren ihr eingesetztes Kapital inklusive einer Rendite von der öffentlichen Hand zurück. Wird das Wirkungsziel hingegen nicht erreicht, muss die öffentliche Hand keinerlei Auszahlung leis­ten, hat also keine finanziellen Aufwendungen. Die Vorfinanzierer gewähren somit einen Kredit, den die öffentliche Hand nur im Erfolgsfall zurückzahlen muss."Gemanagt" wird der Wirkungskreis durch einen Intermediär, der eine zentrale Rolle einnimmt - agiert er doch als Koordinations- und Steuereinheit. Der Intermediär ist es, der die Anschubfinanzierung organisiert, hierzu Kapital von privaten Geldgebern einwirbt und im Erfolgsfall die staatliche Rückzahlung inklusive Zinsen an die Vorfinanzierer weiterleitet. Zudem organisiert er die Umsetzung durch die sozialen Dienstleister, die sich der bedürftigen Menschen annehmen.

Dabei stechen zwei Merkmale des Modells hervor: Zum einen bündelt der SWK Akteure aus verschiedenen Sektoren in einer Sozialpartnerschaft - eine Grundvoraussetzung erfolgreicher Maßnahmen, die sich am Bedarf der Menschen orientieren. Zum anderen liegt der Vergütung der öffentlichen Hand nur eine einzige Metrik zugrunde: die Wirksamkeit der durchgeführten Sozialleistung.Wirksam(er) helfen, Haushalte entlasten Der Mehrwert des SWKs liegt darin, dass er die Wirksamkeit sozialer Dienstleistungen mit Einsparungen für die öffentliche Hand verbindet und zugleich die höheren Durchführungskosten intensiver Maßnahmen zunächst auf externe Geldgeber auslagert. Denn bislang fällt es Entscheidungsträgern mit Budgetverantwortung schwer, sich auf intensivere Leistungen im Sozialbereich einzulassen, die deutlichere Mehrkosten im Vergleich zu bestehenden - aber nur begrenzt effektiven - Maßnahmen verursachen. Fakt ist: Intensivere Leistungen verlangen in der Regel einen höheren zeitlichen und personellen Aufwand und Kosten daher zumeist mehr. Durch die vergleichsweise hohen Maßnahmekosten fallen solche Hilfsangebote jedoch oftmals dem Diktat der Kosteneffizienz zum Opfer. Bei der Betrachtung von Hilfsangeboten müssen jedoch die Maßnahme- und Folgekosten der jeweiligen Ansätze miteinander verglichen werden. Intensive Maßnahmen mögen zwar kurzfristig teurer sein. Indem sie aber eine höhere Wirkung erzielen, verhindern sie, dass sich nach und nach immense Folgekosten akkumulieren.

Der SWK macht neben sozialen auch finanzielle Wirkungsrenditen sichtbar, indem er Maßnahme- und direkte Folgekos­ten zusammenfasst. So stehen in Essex den Kosten intensiver Familienbetreuung von knapp 7,5 Millionen Euro prognostizierte Einsparungen, vor allem durch die Verhinderung von Heimaufenthalten, in Höhe von mehr als 21,5 Millionen Euro gegenüber. Erst wenn sich diese Einsparungen für den Landkreis realisieren, beginnt die Rückzahlung an die Vorfinanzierer. Noch läuft das Projekt Essex, allerdings sind erste Ergebnisse durchaus ermutigend. Kinder wirksam zu schützen und Hauhalte zu entlasten, muss also kein Gegensatz sein. Deutsche Städte und Gemeinden mögen aufhorchen - gerade wegen der Explosion in den Fallzahlen und den Kosten der sozialpädagogischen Familienhilfe. 

Erschienen bei: 
Behörden Spiegel Heft 03/2015
16. März 2015
Autor:in: 

Mark T. Fliegauf (Fellow)