Eindimensionale Huawei-Politik der Bundesregierung

SNV in den Medien

Seit vergangenem Sommer ist in Europa die Debatte ausgebrochen, wie man mit chinesischem 5G-Equipment – der nächsten Mobilfunkgeneration – umgehen sollte. Die Vereinigten Staaten, Australien, Japan, aber auch manche europäische Mitgliedstaaten sehen in Netzwerkkomponenten von Huawei und ZTE, den beiden chinesischen Netzwerkausrüstern, eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Die Angst ist, dass die Kommunistische Partei Chinas Druck auf beide Hersteller ausüben könnte, um fremde Netzwerke zu stören. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat daraufhin neue IT-Sicherheitsanforderungen für deutsche Netzbetreiber entwickelt, die kürzlich veröffentlicht wurden. Mit dieser rein technischen Maßnahme wird man dem Problem jedoch in keiner Weise gerecht, und die Bundesregierung ist weiterhin eine Antwort auf die industriepolitischen und außerpolitischen Herausforderungen schuldig.

Die Bundesregierung hat von Anfang an ein rein technisches Problem sehen wollen, Daher wurden BNetzA und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit der Überarbeitung der IT-Sicherheitsanforderungen für deutsche Netzbetreiber betraut: Technische Behörden arbeiten an technischen Lösungen zu technischen Problemen. Wirtschaftsministerium und Auswärtiges Amt wurden offensichtlich nicht mit der Erarbeitung eigener, notwendiger Risikoanalysen beauftragt.

Die Derzeitige Kritik am veröffentlichten Sicherheitskatalog ist begründet in der Tatsache, dass auf die besonderen Risiken beim Einsatz chinesischer Hersteller nicht eingegangen wurde. Diese werden trotz der schärferen Anforderungen weiterhin am deutschen Markt tätig sein können. Die neuen Anforderungen machen unsere zukünftigen Mobilfunknetze definitiv sicherer, da sie für alle Hersteller  und Betreiber in gleichem Maße gelten. Jedoch sind nicht alle Hersteller „gleich“. Von chinesischen Netzwerkausrüstern geht ein höheres Risiko aus als von ihren europäischen Wettbewerbern Nokia und Ericsson. Dieses höhere Risiko liegt nicht daran, dass Huawei und ZTE qualitativ minderwertige Produkte bereitstellen, sondern am grundsätzlichen Durchgriffsrecht der Kommunistischen Partei Chinas, Druck auf chinesische Hersteller auszuüben. Ein solches Risiko lässt sich kaum durch technische Maßnahmen reduzieren.

Wie wahrscheinlich es ist, dass die chinesische Regierung ein mit chinesischen Herstellern ausgestattetes, ausländisches Telekommunikationsnetz kompromittieren will, ist jedoch eine geopolitische und keine technische Frage. Eine geopolitische Antwort fehlt.

Eine weitere Dimension des Problems verlangt nach einer industriepolitischen Antwort: Durch Kampfpreise dank vielfacher staatlicher Subventionen und Skaleneffekte könnte Huawei die europäische Konkurrenz ohne weiteres langfristig vom Markt verdrängen. Unabhängig von der Frage der IT-Sicherheit, birgt ein weiter ungehinderter Marktzugang von Huawei und ZTE das Risiko, dass Europa langfristig in einer Schlüsseltechnologie abgehängt werden wird. Die Vereinigten Staaten haben die Gefahr von Chinas wettbewerbsverzerrendem Protektionismus für Nokia und Ericsson erkannt und überlegen, wie man beide Unternehmen finanziell unterstützen könnte. Chinesische Netzwerkausrüster stellen daher nicht nur technisch, sondern auch industriepolitisch eine Herausforderung dar. Eine industriepolitische Antwort fehlt.

Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung postuliert, Deutschland würde zum „Leitmarkt für 5G“ werden. Sie muss sich daher die Frage gefallen lassen, wie genau man das werden will, ohne strategisch in europäische Technologie zu investieren. Die „Huwaei-Frage“ ausschließlich auf IT-Sicherheit zu reduzieren ist fahrlässig und kurzsichtig. Wie man mit chinesischen 5G-Netzwerkausrüstern umgehen sollte, muss zwingend aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden: IT-Sicherheit, nationale Sicherheit, Außenhandel, Industriepolitik. Geschieht dies nicht, übersieht man Wechselwirkungen und ist blind für langfristige, negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft.

Erschienen bei: 
Frankfurter Allgemeine Zeitung
19. Oktober 2019
Autor:in: 

Jan-Peter Kleinhans

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