BND-Reform, die Zweite

Policy Brief

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Mit dem Urteil des Bundsverfassungsgerichts zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung liegt die Reform des BND-Gesetzes aus dem Jahr 2016 in Trümmern. Es bedarf nun einer neuen, echten Reform von Nachrichtendienstrecht und -kontrolle. Karlsruhe hat schließlich grundlegende Defizite im Status quo ausgemacht, die den Anforderungen des Grundgesetzes bei Weitem nicht genügen. Der Gesetzgeber hat auch deshalb bis Ende 2021 Zeit bekommen, um die gesetzlichen Grundlagen nun umfassend an die spezifischen Herausforderungen nachrichtendienstlicher Tätigkeit im Zeitalter von Internationalisierung und Digitalisierung anzupassen. Aussagen von Kanzleramtsminister Helge Braun lassen jedoch vermuten, dass die Bundesregierung sich erneut einen schlanken Fuß machen will.

In diesem Papier präsentieren wir auf Grundlage des Urteils einen Entwurf für eine weitreichende Neuordnung der deutschen Nachrichtendienst-Kontrolle. Wir verfolgen dabei das Ziel einer Ende-zu-Ende-Kontrolle, also einer Kontrolle nachrichtendienstlicher Überwachung beginnend mit der Genehmigung der Datenerfassung über den gesamten Prozess der Datenverarbeitung hinweg bis hin zur Übermittlung ins In- und Ausland.

Im Kern schlagen wir vor, die bisher untertourige, fragmentierte und nicht ausreichend unabhängige Rechtskontrolle in einem neu zu gründenden gerichtsähnlichen Kontrollrat, zuständig für alle deutschen Nachrichtendienste, zu bündeln. G10-Kommission und Unabhängiges Gremium werden abgeschafft. Der Kontrollrat besteht aus einem unabhängigen Spruchkörper mit umfassenden Kontroll- und Vetorechten. In ihm gilt ein kontradiktorisches Verfahren, sodass neben den Ministerialbeamt:innen zum Beispiel auch “Anwält:innen der Bürger:innen” oder Advokat:innen besonders vor Überwachung zu schützender Berufsgruppen wie Journalist:innen in den Sitzungen vertreten sind und dort eine anderes Licht auf die beantragten Maßnahmen werfen können.

Der Kontrollrat steht im engen Austausch mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI), der die zentrale Instanz der administrativen Rechtskontrolle wird. Die Mitarbeiter:innen des BfDI prüfen, ob im Prozess der Datenerhebung, -verarbeitung und -übermittlung die rechtlichen Standards eingehalten werden. Das ist eine umfangreiche und technisch anspruchsvolle Kontrollpflicht, die einen umfassenden Zugang zu allen informationstechnischen Systemen und Datenbanken des BND voraussetzt. Der BfDI muss die gesamte Verarbeitung der im Rahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung anfallenden personenbezogenen Daten prüfen, inklusive internationaler Kooperationen mit ausländischen Nachrichtendiensten.

Es entstünde ein Kontrollgefüge, das mit Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr), Kontrollrat und BfDI nur noch drei wesentliche Institutionen mit klaren Zuständigkeiten kennt. Die Kontrollrechte, der Datenzugang, die technologische Ausstattung sowie die Kooperation zwischen den Kontrollinstanzen wären deutlich ausgebaut, um eine nachhaltigere, wirksamere und umfassende Aufsicht der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten des Bundes zu gewähren.

  Status Quo Vorschlag
Rechtsgrundlage Inland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach Artikel 10-Gesetz Ausland-Ausland Fernmeldeaufklärung nach BND-Gesetz BND-Gesetz mit identischen Standards für Inland-Ausland- sowie Ausland- Ausland-Fernmeldeaufklärung
Spruchkörper G10-Kommission (eingeschränkt) Unabhängiges Gremium (eingeschränkt) Rat der deutschen Nachrichtendienst-kontrolle
Rechtskontrolle ?* BfDI
(eingeschränkt)
BfDI
politische & finanzielle Kontrolle Parlamentarisches Kontrollgremium & Vertrauensgremium Parlamentarisches Kontrollgremium & Vertrauensgremium Parlamentarisches Kontrollgremium

* Hier hat die G10-Kommission eine Kontrollbefugnis für die administrative Rechtskontrolle. Ihr fehlen aber Expertise und Ressourcen dafür. Der BfDI bleibt außen vor.

16. Juni 2020
Autor:in: 

Dr. Thorsten Wetzling
Daniel Moßbrucker

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