Woran wir gerade arbeiten: Newsletter Februar 2021

18. Februar 2021

Im Frühjahr erscheint ein Papier von Julia Schuetze und Rebecca Beigel. In dieser Publikation untersuchen die beiden Autorinnen wie Cybersicherheitspolitik-Übungen wirksam eingesetzt werden können, um mit verschiedenen Herausforderungen in der Cybersicherheitspolitik umzugehen. Sie beschreiben verschiedene Typen von Übungen und wie diese im Policy-Bereich genutzt werden können, zum Beispiel beim Testen der politischen Reaktionsmöglichkeiten auf eine Cyberoperation. 
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In den kommenden Monaten erforscht Kilian Vieth als Teil des GUARDINT-Teams, wie gut Medien und NGOs in Deutschland, Frankreich und Großbritannien in der Lage sind nachrichtendienstliche Überwachung zu untersuchen und zu hinterfragen. Dazu soll über Umfragen zum Beispiel erhoben werden, welche finanziellen, personellen und rechtlichen Mittel Journalist:innen und NGOs für die Auseinandersetzung mit Überwachung zur Verfügung stehen. Auch wird erfasst, welche Einflussmöglichkeiten, wie etwa investigative Recherchen, gerichtliche Klagen, Kampagnen oder Lobbyarbeit es gibt und welche die Journalist:innen und Aktivist:innen als besonders wirksam einschätzen. 
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Wie gut sind deutsche Erwachsene darin, sich online zu informieren und Nachrichten richtig einzuordnen? Dieser Frage widmet sich die umfangreiche Studie, die Anna-Katharina Meßmer und Alexander Sängerlaub gemeinsam mit Leonie Schulz vom Meinungsforschungsinstitut pollytix Mitte März veröffentlichen werden. Die Studie basiert auf einer Befragung und einem Test, mit dem die digitale Nachrichtenkompetenz Erwachsener erstmals repräsentativ gemessen wurde. Neben der Auswertung der Ergebnisse als Papier wird es auch eine Web-App geben, mit deren Hilfe man die eigene digitale Nachrichtenkompetenz testen kann. Die in der Umfrage entstandenen Daten werden zugänglich gemacht, um auch anderen Forscher:innen zu ermöglichen, damit weiterzuarbeiten. 
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Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in unserer Gesellschaft muss transparent und vertrauenswürdig gestalten werden. Dabei können Test- und Auditingverfahren helfen. Wie genau das in der Praxis aussehen kann – damit setzt sich derzeit Leonie Beining im Rahmen des Projekts ExamAI auseinander. Im Fokus stehen dabei die Herausforderungen und Hürden, die sich bei der praktischen Implementierung und Steuerung solcher Verfahren stellen werden. Darauf aufbauend werden konkrete Szenarien und Vorschläge entwickelt, wie solche Prüfverfahren von KI im HR-Management und in der Industrieproduktion erfolgreich umgesetzt werden können.
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Aline Blankertz veröffentlichte im Februar 2020 ein Papier, in dem sie die Potenziale und Grenzen von Datentreuhändern beleuchtete. Nun widmet sie sich erneut diesem Thema, um einige Fragen, die in der Debatte um Datentreuhänder noch immer nicht klar beantwortet sind, genauer zu betrachten: Dabei sollen in einem Papier anhand von vier Anwendungsfällen klarer definiert werden, was Datentreuhandmodelle leisten können und welcher regulatorische Rahmen ihnen angemessen ist. Es zeichnet sich bereits ab, dass die jeweilige Antwort je nach Sektor oder Zweck unterschiedlich ausfällt.
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Digitalpolitische Themen werden in diesem Bundestagswahlkampf eine so prominente Rolle wie nie zuvor spielen. Ob Verwaltungsdigitalisierung, Breitbandausbau oder digitale Bildung – die COVID-19 Pandemie hat zugleich die Versäumnisse der Politik der vergangenen Jahre schonungslos offengelegt. Angesichts der dürftigen Bilanz ist die Frage, warum es in Deutschland in der Digitalpolitik einfach nicht läuft, von großer Bedeutung. Stefan Heumann hält die Debatte um ein Digitalministerium für verfehlt. Ihn beschäftigt zurzeit, womit wir uns statt Ressortzuständigkeiten und Ministeriums-Organigrammen befassen sollten, damit die ambitionierten Ziele aus den Wahlprogrammen auch endlich erfolgreich umgesetzt werden können. 

 

Was wir gerade mit Interesse lesen

Immer wieder hört man, dass der Datenschutz die Wirksamkeit der Corona-App untergrabe. Bei Nachfragen kann aber niemand sagen, wie genau dieser Schaden aussähe oder wodurch er entstünde. Ein ehrenamtliches Forschungsteam hat nun auf sehr kreative Art unter Beweis gestellt, wie man auch auf dem datenschutzfreundlichen Setup der Corona-Warn-App interessante Forschungsprojekte aufbauen kann – dezentral und günstig. Auch wenn die Ergebnisse sehr lückenhaft bleiben, zeigt das Experiment doch, dass wir zum Beispiel noch viel darüber lernen können, welche Rolle öffentliche Verkehrsmittel in den Infektionsketten spielen. Gelesen von Kilian Vieth.
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Die Halbleiter-Industrie erhält derzeit viel politische Aufmerksamkeit, aber die Details der Geschäftsmodelle, Abhängigkeiten und Produktionsschritte innerhalb dieser Industrie sind komplex und verworren. Der Podcast “Broken Silicon” widmet sich in einer Folge diesem Thema. Darin wird Daniel Nenni, der Gründer von SemiWiki interviewt, der auf viele Jahre Erfahrung in der Halbleiter-Industrie zurückblicken kann. Er erklärt sehr anschaulich den Werdegang der (US) Halbleiter-Industrie seit den 1980er Jahren und vor allem das Verhältnis zwischen und die gegenseitige Abhängigkeit von Chip-Designern wie Apple, AMD oder Qualcomm und Chip-Auftragsfertigern (Foundries) wie TSMC oder Global Foundries. Ebenso geht er auf die Gründe ein, warum man sich zwischen TSMC in Taiwan und Samsung in Südkorea entscheiden muss, wenn man modernste Logik-Chips (Prozessoren, KI-Beschleuniger, etc.) fertigen will. Gehört von Jan-Peter Kleinhans.
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Die Medienanstalt NRW hat dieses Handbuch (PDF-Downloadlink) ins Deutsche übersetzt und herausgegeben. Es ist ein Handbuch, das für Journalist:innen entworfen wurde, aber auch für interessierte Lai:innen relevant ist. Es gibt auf der Grundlage von Artikeln internationaler Expert:innen einen Überblick über verschiedene Formen der "Informationsstörung" und erläutert, wie sich Desinformationen verbreiten kann. Darüber hinaus enthält es Tipps, wie man online gut Fakten checken kann – also wie zum Beispiel Bilder verifiziert oder Social Media Profile untersucht werden können. Diese internationale Expertise ist ein wahrer Schatz an Erklärungen und Hands-On-Techniken, die nun auch in den deutschsprachigen Diskurs finden. Gelesen von Anna-Katharina Meßmer.  
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Die Produkte des Überwachungsunternehmens “Circles” können weltweit Anrufe, Textnachrichten oder den Standort von Handynutzer:innen ausspionieren. Nach eigener Aussage von Circles werden sie vor allem an Nationalstaaten verkauft und nutzen Schwachstellen im Mobilfunksystem aus, sodass zur Überwachung das Endgerät nicht gehackt werden muss. Das Citizenlab, eine Einrichtung der Universität Toronto, hat nun in einem Bericht Details über Circles und deren Kunden veröffentlicht. Dabei konnten sie 25 Staaten identifizieren, die wahrscheinlich Circles-Kunden sind, darunter Australien, Belgien, Estland, Guatemala, Israel, Kenia, Nigeria, Serbien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Dieser Report zeigt, wie gefährlich systemische Schwachstellen sein können und wie wichtig es ist, den Verkauf und den Einsatz dieser oder vergleichbarer Produkte zu regulieren – vor allem um Personen und Personengruppen zu schützen, die durch ihren Beruf oder ihre Ethnie besonders vulnerabel sind. Gelesen von Rebecca Beigel.
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In dem Buch “Dark Territory. The Secret History of Cyber War” beschreibt der Autor Fred Kaplan die geschichtliche Entwicklung der Cybersicherheitspolitik in den USA. Kaplan ist Journalist und spezialisiert auf Militär- und Sicherheitsthemen und wurde für seine Berichterstattung mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. In “Dark Territory” betont er vor allem die Rolle der Bürokratie für die US-amerikanische Cybersicherheitspolitik und den Einfluss von Darstellungen von “Cyber” in Filmen für politische Entscheidungen oder das Agendasetting. Gelesen von Sven Herpig

 

Überblick: Aktuelle Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Medienbeiträge

Die australische Wettbewerbs- und Verbraucheraufsicht (ACCC) macht durch einen besonders konfrontativen Kurs gegenüber den großen Plattformen auf sich aufmerksam. Die EU hat mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act zwar zwei große Gesetzespakete auf den Weg gebracht, schlägt jedoch im Vergleich zu Australiens Vorstoß eher einen moderaten Kurs ein. Aline Blankertz wird am Dienstag, 23. Februar um 09:00 Uhr mit Rod Sims, dem Vorsitzenden der ACCC darüber diskutieren, was die Erfahrungen des australischen Konfrontationskurses sind und welche Instrumente dabei auch für die EU-Plattformregulierung eine Rolle spielen könnten. Zur Veranstaltung können Sie sich hier anmelden
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Als Teil unserer Arbeit zur Nachrichtendienstkontrolle ist nun im Forschungsprojekt GUARDINT eine neue Datenbank online verfügbar. Sie dient als digitale Sammelstelle und Open-Source-Archiv für Dokumente rund um nachrichtendienstliche Überwachung und Aufsicht. Die im Volltext durchsuchbare Datenbank stellt gesetzliche Grundlagen, Kontrollberichte und Gerichtsentscheidungen aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien zusammen. Die dazu passenden Tipps zur Nutzung der Datenbank werden auf about:intel erläutert. 
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Die Infodemien von 2020 – Wie dieses Jahr die Debatte zu Desinformation verändern wird (Hintergrundgespräch): Im Dezember hat Julian Jaursch mit der Professorin Heidi Tworek über die Veränderungen in den Debatten um Desinformation gesprochen. Sie können das gesamte Gespräch nachhören und -sehen. 
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Nach langer Beratungszeit hat die Europäische Kommission neue Gesetzesvorschläge erarbeitet, die die Regularien für das Internet neu definieren. Aline Blankertz und Julian Jaursch analysieren im Brookings Techstream die kommende EU-Gesetzgebung zum Digital Markets Act und zum Digital Services Act.  
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Unsere Expertin Pegah Maham wurde vom Tagesspiegel ausführlich porträtiert. Zur Sprache kommt ihre Herangehensweise und die Arbeit als Leiterin der Data Science Unit der SNV. Auch für das Magazin "Aufruhr" der Mercator-Stiftung wurde Pegah interviewt.


Technologische Erinnerungen

Die Perspektive kommt uns nach Monaten im Home Office vertraut vor: Diese Aufnahme durch das Fenster nach draußen ist das älteste noch erhaltene Foto der Welt. 1827 nahm es Joseph Nicéphore Niépce mit einer Camera obscura auf. Niépce ist nicht nur der Erfinder der Fotografie, sondern er entwickelte gemeinsam mit seinem Bruder Claude auch den “Pyréolophore”, den ersten Verbrennungsmotor der Welt. Die beiden waren zwar erfolgreiche Erfinder, aber schlechte Geschäftsmänner: Sie starben beide völlig verarmt. Gefunden von Johanna Famulok

Kontakt:
Johanna Famulok

jfamulok@stiftung-nv.de
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F. +49(0)30 81 45 03 78 97