Dossier: Automatisch besser?

Medienbeitrag

Schnell, schlau, kostengünstig: In der Wirtschaft könnten Maschinen bald immer mehr Aufgaben von Menschen erledigen. Aber wie genau wird sich das auf die Arbeitswelt auswirken? Philippe Lorenz (Projektmanager "Arbeit 4.0") hat dazu für enkelfaehig.de drei Thesen entwickelt:

THESE 1: Ja, Maschinen werden Arbeit von Menschen übernehmen

Ob Kreditkartenbetrug aufdecken, Angebote an der Börse platzieren oder Ersatzteile aus dem Lager verschicken: Sofern eine Aufgabe hochrepetitiv ist, also viele Wiederholungen nach einem ähnlichen Muster beinhaltet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie demnächst eine Maschine übernimmt. Etwa beim Thema Kreditkartenbetrug. „Früher war das eine detektivische Arbeit, mit der ganze Teams beschäftigt waren“, erklärt Philippe Lorenz, der für den Berliner Thinktank Stiftung Neue Verantwortung die Folgen des digitalen Wandels auf die Arbeitswelt erforscht. Heute melden Algorithmen verdächtige Transaktionen in Echtzeit.

Und sogar in Anwaltskanzleien kommen kluge Technologien zum Einsatz. So durchsucht der von IBM entwickelte Roboter „Ross“ auf Zuruf Milliarden Seiten juristischer Fachliteratur zu einem bestimmten Thema. „Intel­ligente Maschinen bieten Unternehmen eine Effizienzsteigerung“, sagt Lorenz. Schon bald könnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen von ihrem Automatisierungsgrad abhängen. Und auch für hochkomplexe Aufgaben könnten Maschinen infrage kommen. Kürzlich präsentierten Forscher etwa eine Technologie, die Hautkrankheiten per Foto erkennt.

THESE 2: Aber die Wirtschaft braucht Menschen dringender denn je

Dass Maschinen Mitarbeitern Arbeit abnehmen, bedeutet nicht, dass sie sie ersetzen. „Jeder Job besteht ja aus mehreren Teilbereichen, und davon kann die Technologie meistens einzelne Aufgaben erledigen“, betont Experte Lorenz. Ein Algorithmus ist in der Lage, Anzeichen für Kreditkartenbetrug zu identifizieren. Auswerten muss sie immer noch ein Mensch. Die gute Nachricht: Viele Berufe werden angenehmer. So können Roboter etwa ergonomisch problematische Arbeitsschritte beim Autobau übernehmen. Gleichzeitig brauchen Mitarbeiter neue Kompetenzen.

Bei einer internen Auswertung stellte der US-amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T fest, dass es bis zu 80 000 seiner 281 000 Mitarbeiter an zukunftsrelevanten Kompetenzen wie Programmieren fehlt – und bot ihnen gezielte Fortbildungsmöglichkeiten. „Natürlich ist solch ein Programm aufwendig, aber immer mehr Unternehmen und Länder zeigen, dass es möglich ist“, sagt Philippe Lorenz. In Dänemark etwa können sich Arbeiter in einwöchigen Seminaren genau die Kompetenzen aneignen, die die regionalen Unternehmen gerade suchen. Ein gemeinsames Fortbildungsprogramm von Staat und Wirtschaft macht es möglich.

THESE 3: Bildung muss flexibler werden. Und Arbeit auch

Eine gute Bildung ist der beste Schutz vor der Verdrängung durch Maschinen, propagieren viele Eltern, Lehrer und Politiker. „Ob das immer zutrifft, darf man bezweifeln“, meint Lorenz. Denn wenn Software heute schon Krebs erkennen kann, brauchen wir dann in 30 Jahren noch so viele Ärzte wie heute? Fest steht nur, dass sich junge Generationen auf Karrieren vorbereiten müssen, während derer sich ihr Berufsbild immer wieder auf den Kopf stellen wird. „Das erfordert Kompetenzen wie Querdenken und Interdisziplinarität“, sagt Lorenz. So sollte das Jurastudium vielleicht auch ein wenig Informatik beinhalten. Erste Hochschulen bieten entsprechende Kurse bereits an.

Gleichzeitig müssen flexible Arbeitsmodelle her. Wenn Unternehmen auf immer neue technische Revolutionen reagieren müssen, brauchen sie, so schnell es geht, Experten aus neuen Fachbereichen. „Hier können Konzerne in Zukunft verstärkt auf Teams aus selbstständigen Spezialisten setzen“, erläutert Lorenz. Über deren Einbindung in Projektarbeit erschließen sie sich neues Innovationspotenzial. Allerdings müssen Unternehmen gleichermaßen in die fortwährende Weiter­qualifizierung ihrer Stammbelegschaft investieren, um nicht technologische Entwicklungen zu verpassen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen bei enkelfaehig.de und ist Teil des Dossiers „Machine-Learning“.

Erschienen bei: 
enkelfähig
20. Oktober 2016
Autor:in: 

Philippe Lorenz (Projektmanager "Arbeitsmarkt 4.0")