Deutschlands mobile Datennetze - Innovation durch offenes Spektrum

Policy Brief

Die Nachfrage nach mobiler Datenübertragung ist in den letzten 15 Jahren exponentiell gestiegen. Mittlerweile gibt es mehr mobile Endgeräte als Einwohner. Dabei tragen Wifi-Netze bereits heute 50 Prozent der Last unseres täglichen, mobilen Datenaufkommens. Trotz dieser immensen volkswirtschaftlichen Bedeutung finden sie in der deutschen Frequenzpolitik bisher kaum Beachtung. In Deutschland dürfen Wifi-Geräte bisher nur Frequenzen mit vergleichsweise niedriger Reichweite nutzen, obwohl ehemalige Frequenzen des Digitalfernsehens (470Mhz - 790MHz) potenziell zur Verfügung stünden. Diese besitzen wesentlich bessere Eigenschaften (deutlich höhere Reichweiten bei gleichzeitig niedrigerem Energieverbrauch), werden jedoch bisher exklusiv an den Mobilfunk versteigert.

Pilotprojekte anderer Staaten zeigen das enorme Potenzial einer Öffnung von Teilen dieser Frequenzen für Wifi-Geräte. So versorgen beispielsweise in den Vereinigten Staaten und Südafrika leistungsstarke Wifi-Netze mit wenigen Sendemasten mehrere Schulen und Universitäten eines gesamten Bezirks mit schnellem mobilen Internet. In Großbritannien wurden kostengünstige, energiesparende Sensornetzwerke etwa zur Staupräventation, zum intelligenten Management der öffentlichen Abfallversorgung oder zur Früherkennung von Überschwemmungen aufgebaut. Die Bereitstellung von hochwertigen, frei verfügbaren Spektrums durch den Staat eröffnet so ein Innovationsfeld für Kommunen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft.

Auch in Deutschland bietet die Öffnung hochwertiger Frequenzen für Wifi-Geräte, insbesondere in den Kernbereichen der Digitalen Agenda, großes Potenzial. Die wichtigsten Erkenntnisse aus unserer Analyse der Pilotprojekte in anderen Ländern unter Berücksichtigung politischer Zielvorgaben und der regulatorischen Situation in Deutschland lauten:

  • In anderen Ländern ist Wifi über Fernsehfrequenzen bereits Realität: Die potenzielle Rolle von Wifi im DVB-T-Frequenzbereich zur Ergänzung des Mobilfunks und Erweiterung der bisherigen Wifi-Frequenzen wird in vielen Ländern (u.a. den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Japan und Singapur) diskutiert, erforscht und in Pilotprojekten erprobt. Deutschland droht eine wichtige technologische Entwicklung zu verpassen, die - wie weiter unten ausgeführt - zentrale Felder der digitalen Agenda betrifft.
     
  • Großes Potenzial für Industrie 4.0 und Internet der Dinge-Anwendungen: Wifi im DVB-T-Frequenzbereich ermöglicht die kosten- und energieeffiziente Anbindung von verteilten Sensornetzwerken. Diese Sensorzetzwerke bilden die Grundlage für neue Industrie 4.0 und Internet der Dinge-Anwendungen. Hier besteht großes Potenzial, dass Wifi über Fernsehfrequenzen sich zu einer innovativen und kostengünstigen Alternative gegenüber einer ausschließlichen Anbindung der Sensoren per Mobilfunk entwickelt.
     
  • Eine wichtige Komponente für den ländlichen Breitbandausbau: Da im DVB-T-Frequenzbereich Daten über wesentlich größere Distanzen und ohne Sichtverbindung übertragen werden können, ermöglicht Wifi über Fernsehfrequenzen auch entlegene Regionen mit Internet auszustatten, für die eine Anbindung per Glasfaser oder mittels Mobilfunk nicht wirtschaftlich wäre.

Die Pilotprojekte und regulatorischen Erkenntnisse aus vielen anderen Ländern bieten eine gute Basis für eine Auseinandersetzung mit der Thematik in Deutschland. Zudem besteht bei Wifi über Funkfrequenzen ein direkter Bezug zu zwei zentralen Themen der Digitalen Agenda der Bundesregierung: Breitbandausbau und Industrie 4.0. Da es sich bei der Nutzung von Funkfrequenzen um den Umgang mit einem öffentlichen Gut handelt, trägt die Politik hier eine ganz besondere Verantwortung. Gemeinsam mit Wirtschaft und Gesellschaft muss sie bestimmen, wie das Frequenzspektrum im Sinne öffentlicher Interessen am besten genutzt werden kann. Aufgrund seiner besonders wertvollen Eigenschaften kommt der Nutzung des Fre- quenzspektrums unterhalb von 1GHz in dieser Debatte eine ganz besondere Rolle zu. 

22. April 2015
Autor:in: 

Jan-Peter Kleinhans, Stefan Heumann, PhD, Ben Scott, PhD

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