Das Herzstück der deutschen Geheimdienstreform: Vorschläge für eine starke G 10-Kommission

Policy Brief

Mit den Plänen zur Schaffung des Amtes eines Geheimdienstbeauftragten hat nach über zwei Jahren Überwachungsdebatte der Reformprozess der Geheimdienstkontrolle in Deutschland begonnen. Der aktuelle Vorschlag sieht vor, die parlamentarischen Kontrollgremien durch einen Sachverständigen mit zwei Dutzend Mitarbeitern aufzurüsten.

Eine Aufstockung der parlamentarischen Aufsicht allein ist jedoch keine geeignete Lösung, um deutsche Nachrichtendienste wirkungsvoll zu kontrollieren und weitere Missstände zu sanktionieren. Im System der Geheimdienstkontrolle ist die G 10-Kommission die einzige Kontrollinstanz, die Abhörprogramme auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetzt prüft und Maßnahmen stoppen kann. Sie stellt sicher, dass Eingriffe in die Grundrechte von Bürgern verhältnismäßig und notwendig sind. 

Allerdings ist die G 10-Kommission aufgrund unklarer Gesetze und schwerwiegender institutioneller Defizite derzeit nicht in der Lage, ihre zentrale Funktion bei der demokratischen Kontrolle der Abhöraktivitäten effektiv wahrzunehmen. Beispielsweise wird das Kerngeschäft des BND – das Erfassen von Kommunikationsdaten, deren Ursprungs- und Endpunkt im Ausland liegen – von den ehrenamtlichen Mitgliedern der Kommission nicht autorisiert. Zudem fehlen der Kommission die Ressourcen und die Kompetenzen, um den Umgang der Nachrichtendienste mit den erfassten Kommunikationsdaten ausreichend zu überprüfen. 

Eine Reform der G 10-Kommission ist die Voraussetzung, um herrschende rechtsstaatliche Defizite zu beheben und die Grund- und Menschenrechtsbindung des BND zu gewährleisten. Gleichzeitig kann sie dazu beitragen, die Verhandlungsposition Deutschlands gegenüber den USA und anderen verbündeten Staaten zu stärken. 

Folgende Reformschritte sind daher entscheidend:

  • Überwachungsmaßnahmen der reinen Auslandsaufklärung müssen zukünftig ebenfalls von der G 10-Kommission auf Zulässigkeit und Erforderlichkeit hin geprüft werden können. Der Bundestag verabschiedet dafür ein neues Artikel 10-Gesetz, dass unmissverständlich alle nachrichtendienstlichen Eingriffe in das Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnis verbindlich regelt.
     
  • Zukünftig sollte dem Autorisierungsverfahren von nachrichtendienstlichen Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis ein Bürgerrechtsanwalt beiwohnen. Diese Person vertritt dabei die Interessen der Betroffenen, die keine Gelegenheit haben, in diesem “Ersatzverfahren” (Bundesverfassungsgericht) mitzuwirken. Der Bürgerrechtsanwalt hat dabei zu begründen, inwiefern eine Überwachungsanordnung dem Recht auf Privatheit der digitalen Kommunikation entgegensteht und welche Maßnahmen von geringerer Eingriffsintensität sich für einen ähnlichen Erkenntnisgewinn anböten.
     
  • Es bedarf zudem einer massiven Stärkung der G 10-Kommission. Noch entscheidender als die Anzahl der Mitglieder erscheint dabei ein effektiv arbeitendes Sekretariat. Für dieses sind bedeutend mehr finanzielle und personelle Ressourcen bereitzustellen – auch um eine Vorprüfung der Anordnungen im Sinne und Auftrag der G 10-Kommission vornehmen zu können.
23. September 2015
Autor:in: 

Dr. Thorsten Wetzling

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